Das Berliner Zimmer
Was ist das Berliner Zimmer?
Wohnen Sie in einem Altbau mit Seitenflügel zum Hinterhaus?
Dann hat Ihre Wohnung vielleicht ein Berliner Zimmer!
Das Berliner Zimmer liegt in der Nahtstelle zwischen Vorderhaus
und Seitenflügel zum Hinterhaus. Sein besonderes Kennzeichen: Es hat nur ein einziges Fenster, das zum Hof
hinausgeht.
Die folgende Zeichnung zeigt zwei verschiedene Grundrisse von Mietshäusern, in denen die Lage des Berliner Zimmers mit "BZ" gekennzeichnet ist:
Das Berliner Zimmer ist typisch für die Berliner Mietshäuser des 19. und 20. Jahr-hunderts.
Ursprünglich war es ein Durchgangszimmer zwischen Vorderhaus und Seitenflügel in großen Bürgerwohnungen:
Im Vorderhaus befanden sich die repräsentativen Wohnräume, im Seitenflügel waren Bad, Küche, Wirtschaftsräume und Dienstbotenstuben untergebracht.
Das Berliner Zimmer diente als Empfangs- oder Aufenthaltsraum.
Das folgende Foto zeigt das Berliner Zimmer im Heimatmuseum Pankow, Standort Heynstr. 8:
In den unteren Stockwerken ist das Berliner Zimmer ein ziemlich dunkles Zimmer, vor allem, wenn der Hof eng ist.
Im Soldiner Kiez hat man die Seitenflügel und die Hinterhäuser teilweise abgerissen, um die Bebauung aufzulockern. Dort ist das Berliner Zimmer manchmal noch in einem kleinen Fortsatz des ehemaligen Seitenflügels erhalten.
Das Berliner Zimmer gibt heute ein ruhiges Zimmer ab, oft mit Blick auf Hinterhofgrün.
Daher wird es gerne als Schlafzimmer, aber auch als Wohnzimmer benutzt.
Bei engem Zuschnitt sind manchmal die Küche oder das Bad im Berliner Zimmer untergebracht.
Damit ist das Berliner Zimmer bis heute ein Teil unserer Alltagskultur geblieben.
Trennung zwischen Vorderhaus und Seitenflügel
in der Mietskaserne
Die Berliner Mietskasernen, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, wurden vollständig im Block gebaut: Vorderhaus, Seitenflügel, Hinterhaus und dazwischen der Hof. Typisch für die Mietskaserne war der Anbau weiterer Seitenflügel und Hinter-häuser, so dass mehrere aufeinander folgende Höfe entstanden.
Im luxuriöser ausgestatteten Vorderhaus wohnten die Angehörigen der kleinbürgerlichen Mittelschicht wie Büroangestellte, kleine Beamte, Handwerksmeister oder gut verdienende Facharbeiter.
In den kargen Hinterhäusern und in den hinteren Seitenflügeln lebten
die Arbeiter und die einfachen Handwerker. Zwischen den Hinterhäusern und den hinteren Seitenflügeln gab es keine Verbindung mehr, beide hatten ihre eigenen Eingänge.
Teilweise wurden auch die ersten Seitenflügel, die noch zum Vorderhaus gehörten,
getrennt vermietet. Sie hatten über den Hinterhof ja auch eigene Aufgänge. In diesem Fall wurde das Berliner Zimmer meistens der Vorderhauswohnung zugeschlagen.
In den Mietskasernen war die Möglichkeit einer gewissen
sozialen Durchmischung angelegt, die vielerorts tatsächlich stattfand, so z.B. im Wedding. In manchen Vorderhäusern wohnten sogar kleine Fabrikanten, die im Hinterhaus ihren
Betrieb hatten. Allerdings bevorzugten viele von ihnen eine frei stehende Villa.
Der Stadtsoziologe Andrej Holm erinnert an den
sozial-reformerisch klingenden Anspruch der Mietskaserne, den der preußische Stadtplaner James Hobrecht (1825 - 1902) formulierte, nämlich 1868 in seiner Schrift "Über die öffentliche Gesundheitspflege":
„Nicht 'Abschließung', sondern 'Durchdringung' scheint mir aus sittlichen und darum aus staatlichen Rücksichten das Gebotene zu sein. In der Mietskaserne gehen die Kinder aus den Kellerwohnungen über denselben Hausflur wie diejenigen des Rats oder Kaufmanns auf dem Weg nach dem Gymnasium.“
Mit der sog. Gentrifizierung werden Arbeiter und finanzschwache Menschen inzwischen zunehmend aus den Stadtvierteln vertrieben, die im 19. Jahrhundert sozial noch stärker durchmischt waren. Der Wedding gehört leider dazu!
Gentrif...dingsbums?
"Erklären Sie es mir, als ob ich vier Jahre alt wäre!"
Bitteschön, hier in diesem süßen kleinen Video.
(1943 – 2011)
Der Stadtsoziologe hat sich wie kein anderer dafür eingesetzt, dass die sich die Politik in Großstädten wie Berlin endlich wieder mit den sozial benach-teiligten Stadtteilen befasst, die besonders von Verslummung bedroht sind.
Prof. Dr. Häussermann kann als geistiger Vater des Quartiers-managements bezeichnet werden.
Leider ist dieser großartige Wissen-schaftler zu früh von uns gegangen. Hier ein Nachruf.
Auch mit dem Problem der Gentrifizierung haben sich Prof. Dr. Häussermann und sein Schüler Andrej Holm auseinandergesetzt.
Prof. Dr. Häussermanns Grabstein auf dem Alten Matthäus-Friedhof wurde nach seinem Namen und seiner
Funktion als Stadtsoziologe gestaltet. Fans legten noch zusätzliche Häuschen aufs Grab.